Bibliothèque Pierre-Georges-Roy – Die Bibliothek in der Kirche

Das für mich interessanteste Erlebnis von meinem Ausflug nach Lévis vor zwei Tagen war ohne Zweifel der Abstecher in die Bibliothek Pierre-Georges-Roy.

Bibliothèque Pierre-Georges-Roy

Bibliothèque Pierre-Georges-Roy

Ich war nur zufällig auf Schilder zur Bibliothek gestoßen und bin dann ganz spontan in die Richtung gelaufen (der Durchschnittstourist interessiert sich ja für Bibliotheken normalerweise nicht, deswegen sind sie auch in keinem Reiseführer erwähnt ^^ – das sollte man in diesem Fall aber sofort ändern!). Wenn man sich der Bibliothek nähert und vor ihrer Fassade steht, fragt man sich zuerst, was da jetzt eigentlich los ist.

Fassade

Fassade

“Okay, die Bibliothek scheint also in einer Kirche untergebracht zu sein.” denkt man sich dann. Das wäre zwar schon ziemlich unüblich, aber noch nichts, was einen richtig vom Hocker haut. Aber sobald man das Gebäude betritt, ist man nur noch sprachlos vor Staunen…

Wow, was für eine Kombination! Die Bibliothek ist in eine komplette Kirche integriert – mit Altarbereich, Kanzel und Verzierungen; sogar eine Orgel ist dabei. Nachdem ich mir den faszinierenden Raum angeguckt und viele Fotos gemacht hatte, bin ich etwas länger und sehr nett mit der zuständigen Auskunftsbibliothekarin, Marie-Josée Bégin, ins Gespräch gekommen. Sie erzählte mir u.a., wie es zu dieser interessanten Kombination gekommen ist – es war eine eher pragmatische Entscheidung: Vor dreizehn Jahren suchte man für die Bibliothek ein neues Gebäude. Direkt neben dem Collège (das von der Bibliothek mitversorgt wird) stand schon eine alte Kirche, die man aber nicht mehr nutzte. Aufgrund der günstigen Lage entschied die Stadt sich dazu, das Gebäude komplett zu sanieren und für eine Bibliothek nutzbar zu machen. Dabei ließ man aber, wie schon erwähnt, sämtliche Teile der Kirche intakt, sodass 1995 als Ergebnis diese beeindruckende Bibliothek entstand.

Marie und ihre anderen Kollegen sind inzwischen logischerweise etwas “abgehärtet”, was Schönheit und Atmosphäre ihres Arbeitsplatzes angeht, und sehen eigentlich nur noch die Bücher und andere Medien, mit denen sie alltäglich zu tun haben. Dafür freuen sie sich immer, wenn ab und zu mal jemand neues vorbeikommt, der die Bibliothek zum ersten Mal sieht und große Augen macht. 🙂

die Kinderecke

die Kinderecke

Auf die Frage, ob es wegen dieser besonderen Bedingungen nicht auch Einschränkungen in ihrer bibliothekarischen Arbeit gibt, sagte Marie, dass sie bislang sehr gut damit fahren – Im Zuge der Sanierungsarbeiten wurden wesentliche Vorkehrungen getroffen (Kabel verlegen, Heizungen einbauen und die Struktur des Raumes an die Erfordernisse einer Bibliothek anpassen). Nur falls die Kapazität der Bibliothek einmal erschöpft sein sollte, kann man eben nicht einfach Wände einreißen und einen Anbau an das Gebäude hängen.

nouveautés

nouveautés

Abseits der Bibliothek sind wir u.a. auch auf Sprachen und Klischees gekommen. Ich dachte ursprünglich, dass Franzosen eher skeptisch bis ablehnend gegenüber den Kanadiern und ihrem amerikanisch eingefärbten Französisch eingestellt sind. Doch Marie erzählte, dass ganz im Gegenteil die meisten französischen Besucher dem Ganzen sehr viel abgewinnen könnten – sie würden den Akzent zum Beispiel als “very charming” empfinden. 🙂 Natürlich gibt es auch Klischees, die immer wieder auftreten. Eine beliebte Frage (vor allem von Parisern) gegenüber den Kanadiern sei wohl, wo sie denn ihre Wigwams hätten, in denen sie ja wohnten… ^^ Aber solche Klischees gibt es überall – ich musste da sofort an jene Amerikaner denken, die beim Stichwort “Germany” spontane Assoziationen in Richtung sauerkraut und nazi haben…

Bibliothèque Pierre-Georges-Roy

Bibliothèque Pierre-Georges-Roy

Ich bin nur froh, dass ich an diesem Tag zufälligerweise den Hinweisschildern zur Bibliothèque Pierre-Georges-Roy gefolgt bin. Denn sonst hätte ich ein wie ich finde einmaliges Bibliotheksgebäude und eine nette Unterhaltung mit vielen interessanten Infos verpasst. Bleibt nur zu hoffen, dass möglichst viele der IFLA-Besucher eine der Führungen dorthin gebucht haben. Es lohnt sich!

3 thoughts on “Bibliothèque Pierre-Georges-Roy – Die Bibliothek in der Kirche

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