Rückblick auf den 79. IFLA-Kongress in Singapur

beliebter Ort für Gruppenfotos: die gigantische Leinwand mit IFLA-Logo am KongresszentrumAuch in diesem Jahr kamen im August wieder mehr als 3500 BibliothekarInnen aus aller Welt beim IFLA-Kongress zusammen. Meine Konferenz­aktivitäten in Singapur waren eng mit dem Programm der New Professionals Special Interest Group (NPSIG) verbunden, als deren Co-Convenor ich ein Satellite Meeting und eine Session organisierte und an verschiedenen Arbeits­treffen teilnahm. Ansonsten bot der Kongress ein breites Spektrum an Sessions, eine umfangreiche Firmenausstellung mit Postersession sowie ein ansprechendes Rahmenprogramm. Schließlich blieb auch noch Zeit für ein wenig Sightseeing und kulinarische Entdeckungsreisen im beein­drucken­den Singapur.

Bevor die eigentliche Hauptkonferenz begann, fand am 15. und 16. August das IFLAcamp² statt, ein Barcamp für IFLA-Teilnehmer, welches nach 2012 in Finnland nun schon zum zweiten Mal von der NPSIG angeboten wurde. Die Li Ka Shing-Bibliothek der Singapore Management University hatte uns dazu freundlicherweise ihre Räum­lichkeiten zur Verfügung gestellt. Wie bei Unkonferenzen üblich, wurden zu Beginn beider Tage zusammen mit den insgesamt 39 inter­nationalen Teilnehmern Themen­vorschläge für einzelne Sessions gesammelt und der Tagesplan erstellt. In lockerer Atmosphäre wurden diese dann über den Tag verteilt in kleinen Gruppen diskutiert, wobei das Themenspektrum dabei von „Cataloguing issues“ und „Statistics in libraries“ über „Professional leadership in LIS“ und  „Library marketing and advocacy“ bis hin zu „Libraries in the Future 2020“ reichte. Neben dem fachlichen Input haben die Teilnehmer bei einem solchen Format vor allem viel Zeit sich gegenseitig kennenzulernen und Kontakte zu knüpfen, was gerade im Vorfeld einer so großen Konferenz wie dem IFLA-Kongress von großem Wert ist, da man sich im Laufe der Woche immer wieder über den Weg läuft und somit diverse Anknüpfungspunkte hat.

IFLAcamp²-Teilnehmer

Die IFLA-Konferenz startete für mich mit zwei sogenannten Leadership Briefs. Bei diesen Arbeitstreffen kommen Vertreter der vielen IFLA-Sektionen und Special Interest Groups zusammen, um über Neuigkeiten informiert zu werden und selber Aspekte ihrer Arbeit zu diskutieren. Dabei gibt es ein großes Treffen für alle IFLA-Divisionen und separate kleine Treffen für die einzelnen Divisionen wie das der Division IV, zu der die NPSIG gehört. In beiden Fällen war ich eingeladen worden kurze Vorträge zu halten. Beim großen Treffen stellte ich einige ausgewählte Aktivitäten der NPSIG vor, mit denen unsere Gruppe New Professionals vor Ort sowie online weltweit vernetzt. Beim kleinen Treffen präsentierte ich die Ergebnisse der Arbeit der IFLAdial-Gruppe seit ihrer Gründung im letzten Jahr und gab einen Ausblick auf anstehende Herausforderungen. Interessanterweise beherrschte bei beiden Treffen ein Thema die anschließenden freien Diskussionen: Viele Sektionen und Special Interest Groups sind derzeit unzufrieden mit den von der IFLA vorgegebenen Strukturen für ihre Gruppen und probieren daher Modelle mit zwei Chairs bzw. Convenors anstelle einer Person aus, um die anfallende Arbeitslast besser bewältigen zu können. – Da auch die NPSIG in diesem Jahr einen zweiten Co-Convenor aus ähnlichen Gründen eingeführt hat, war es sehr hilfreich, sich mit Vertretern anderer Sektionen und Special Interest Groups darüber auszutauschen. In diesem Zusammenhang wurde auch die Forderung an das IFLA Headquarters laut, flexibler mit diesen Modellen umzugehen und etwa zu erlauben, die zweiten Chairs bzw. Convenors auf die offizielle interne Mailingliste für IFLA Officers zu setzen.

P1060331

Zusammen mit Molly Schwartz, welche mir bei der NPSIG seit der Konferenz in Singapur als Co-Convenor zur Seite steht, nahm ich an den Arbeitstreffen der Management of Library Associations Section (MLAS) teil, an welche die NPSIG angegliedert ist. Wir berichteten vom IFLAcamp² und gaben einen Überblick zu den Aktivitäten der NPSIG in 2013 und Plänen der Gruppe für das kommende Jahr. Wie immer gaben sich bei den MLAS-Treffen diverse IFLA HQ-Mitarbeiter und IFLA-VIPs die Klinke in die Hand, wodurch die Anwesenden u. a. Details von Stuart Hamilton zum IFLA Trend Report erfuhren, welcher im Laufe des Kongresses veröffentlicht wurde. Sehr angenehm fiel diesmal auch die intensive Nutzung von Twitter mehrerer Teilnehmer während der Treffen auf, was seine ganz eigene Dynamik entfaltete und für zusätzlichen Austausch sorgte.

#newlibgc session, WLIC 2013

Ein Höhepunkt der Konferenzwoche war für mich die NPSIG-Session am Donnerstagmittag, welche in Zusammenarbeit mit der Sektion Continuing Professional Development and Workplace Learning veranstaltet wurde. Unter dem Titel „New Librarians Global Connection: best practices, models and recommendations“ überführten wir das Konzept unserer erfolgreichen Webinarreihe in eine offene Session: Nach einer kurzen Einführung konnten sich die Teilnehmer für einen von vier Workshops entscheiden, welche über 90 Minuten parallel in einem großen Raum abgehalten wurden. Wir hatten im Vorfeld einige der beliebtesten Themen der Webinare in 2012 ermittelt und aufgerufen, Workshops dazu einzureichen. Vier Kolleginnen aus Australien, Kanada, Neuseeland und den USA präsentierten in der finalen Auswahl Workshops zu den Themen­bereichen leadership, mentoring, Continuing Professional Development und going abroad. Die Durchführung in nur einem Raum mit über 120 Teilnehmern klappte ausgesprochen gut, wie wir schon vor Ort feststellten:

Wie bei jeder bibliothekarischen Konferenz freute ich mich auch in Singapur sehr auf die Poster Session und wurde nicht enttäuscht. Während der zwei offiziellen Sessions ergaben sich viele anregende Gespräche mit den ausstellenden KollegInnen, ich konnte in kurzer Zeit viele spannende Projekte kennenlernen und mich außerdem von dem Design der Poster für kommende Konferenzen inspirieren lassen. Das Posterareal war eingebettet in die Firmen­ausstellung, auf der man mit den Ausstellern Kontakte für den nächsten Job knüpfen, sich am IFLA WLIC 2014-Stand mit einem Glas Rotwein auf die Konferenz in Lyon einstimmen, sich ein Henna-Tattoo aufmalen lassen oder mit deutschen KollegInnen am wirklich gelungenen Gemeinschaftsstand des Goethe-Instituts, der Deutschen Nationalbibliothek und einiger anderer deutscher Institutionen treffen konnte. Ein Blick über die Ausstellung lohnt sich auf jeden Fall – man sollte dies nur rechtzeitig einplanen, weil der Bereich in der Regel schon am vorletzten Konferenztag wieder geschlossen wird.

Poster Session

In der Halle fand mit der Ausstellungs­eröffnung auch eine der Veranstaltungen des Rahmen­programms statt, zu der außerdem die feierliche Eröffnung und die Abschlussveranstaltung des Kongresses gehörten. Eindeutiges Highlight in der Hinsicht war jedoch der Cultural Evening am Dienstagabend auf der Ferieninsel Sentosa. Bei karibischem Flair am Strand unter Palmen, mit üppigem Buffet, Tiger Beer und live-Musik verbrachten wir alle die meiste Zeit im Pool und schalteten ein wenig vom anstrengenden Konferenzalltag ab.

cultural evening auf Sentosa Island

Aus dem umfrangreichen Angebot an Bibliotheksführungen suchte ich mir eine Doppelbesichtigung zweier besonderer Häuser aus dem Netzwerk der Öffentlichen Bibliotheken Singapurs aus. Zunächst besuchten wir die library@esplanade, welche sich auf die Bereiche Musik, Tanz, Theater und Film spezialisiert hat. Die Unterbringung in der Esplanade, einem Zentrum für die Darstellenden Künste, stellt somit eine ideale Verbindung dar. Ganz nebenbei haben die Nutzer dadurch auch eine wunderbare Aussicht auf die Marina Bay. Die gut ausgestattete Bibliothek verfügt nicht nur über einen großen Bestand an Printmedien, Tonträgern und Audiovisuellen Medien, sondern beherbergt auch einen Übungsraum mit Klavier, eine Open Stage, einen Veranstaltungsbereich mit Café, mehrere Ausstellungsflächen sowie ein Silent Studio für Jam Sessions, das wir natürlich sofort ausprobieren mussten.

library@espanade: Ausblick auf die Marina Bay

library@espanade: spontane Jam Session im Silent Studio

Mitten in Chinatown in einem Einkaufszentrum gelegen, befindet sich die library@chinatown, welche wir im Anschluss besichtigten. Das Besondere an der Bibliothek ist, dass sie ausschließlich von freiwilligen Helfern betreut wird. In Abwesenheit ausgebildeter BibliothekarInnen werden einige Dienstleistungen nur automatisiert (Ausleihe, Rückgabe) bzw. zentralisiert (Auskünfte per Telefon, dem sogenannten „Cybrarian“) angeboten. Dafür wird durch die Ehrenamtlichen eine starke Einbindung in die Community von Chinatown erreicht. Das auch von lokalen BibliothekarInnen durchaus kontrovers wahrgenommene Projekt befindet sich noch mehrere Jahre im Testbetrieb, bevor entschieden wird, ob der Ansatz weiterverfolgt und in anderen Filialen angewendet werden soll.

library@chinatown: eingebettet in ein Einkaufszenturm

library@chinatown: Bibliotheksführung mit Kamerateam

Auch abseits von IFLA-Kongress und Bibliotheken gab es für mich eine Menge zu entdecken. Hauptanziehungspunkt war dabei die Marina Bay im Zentrum der Stadt mit dem markanten Gebäude des Marina Bay Sands Hotels, den Gardens by the Bay und dem Merlion. Am Abend ließ es sich wunderbar an der Esplanade sitzen und die erleuchtete Skyline genießen. Die Multikulturalität des Stadtstaates Singapur konnte man am besten bei einem Spaziergang in Chinatown und Little India erleben. Ansonsten lohnten sich Abstecher in den Botanischen Garten, zur Night Safari im Singapurer Zoo und in einige der Museen vor Ort. Besonders beeindruckend war darunter die Sonderausstellung  „Terms and Conditions“ im Singapore Arts Museum. Und wenn einem mal der Sinn nach Shopping stand, musste man nur in eine der diversen Malls abtauchen. Die größte unter ihnen ist übrigens das Mustafa Center, welches rund um die Uhr geöffnet hat und alles Erdenk­liche von Kleidung über Technik bis hin zu Lebensmitteln im Angebot hat.

Marina Bay Sands Hotel

Chinatown

Tempel in Little India

Gardens by the Bay bei Nacht

Abgerundet wurde der Aufenthalt durch Singapurs großartige Essenskultur. Überall in der Stadt, meistens integriert in die Einkaufs­zentren, finden sich weitläufige Food Courts mit einer beeindruckenden kulina­rischen Vielfalt. In der Regel ist jeder Stand einem Land oder einer speziellen Küche gewidmet, so dass man sich am besten zunächst einen Überblick verschafft und dann bestellt. Das Angebot war derart umfangreich, dass ich an jedem Tag eine andere kulinarische Richtung ausprobieren konnte.

besser könnte man den Zustand nicht beschreiben

Ein großer Dank geht an BI-International für die finanzielle Unterstützung meines Konferenz­aufenthalts, welche mir diese Reise mit ihren vielfältigen und bereichernden Eindrücken erst ermöglicht hat!

(Der Bericht wurde anlässlich des IFLA-Stipendiums von BI-International geschrieben und ist zusammen mit denen der anderen Stipendiaten demnächst auch hier zu finden.)

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